Oktober war es...Der Geburtstag von Mama, vor allem aber der Tag danach. Der 20.10.2023 stellte unser Leben auf den Kopf...

Mamas Geburtstag stand an. Vor ihrem Geburtstag war Mama krankgeschrieben. Sie hatte einige Wochen Kopfschmerzen, welche sie zu Beginn nicht so ernst nahm. Sie war trotzdem arbeiten. Doch als die Schmerzen schlimmer wurden und ihr Umfeld sie aufforderte dies kontrollieren zu lassen, so ging sie dann doch mal zum Arzt. Die Vermutung war, dass die Kopfschmerzen eher vom Rücken kommen - verschrieben wurde Schmerzmedikation.
Dann war der Tag da: Mamas Geburtstag. Sie hat uns für diesen Tag alle zum gemütlichen Beisammensein mit Kaffee und Kuchen eingeladen. Ich schrieb ihr morgens an diesem Tag die oben abgebildete Nachricht. Ich kam etwas früher am Mittag mit meinem Sohn. Mama hatte bereits alles vorbereitet - der Tisch war gedeckt und Kuchen stand bereit. Wir brachten ebenso noch eine Kleinigkeit mit. Wir übergaben Mama ihr Geschenk und sie bedankte sich und stellte es erst einmal zur Seite. Wir bereiteten die restlichen Dinge zum Kaffee weiter vor. Mama wirkte einfach vorerst etwas müde.
Später am Nachmittag kamen die Gäste. Mit der Zeit als wir so da saßen, uns unterhielten und die Menschen auf Mama zugingen, merkte jeder nach und nach, dass mit Mama etwas nicht stimmte. Sie war verhalten, etwas emotionslos und wirkte einfach wesensverändert. Meine Tante und ich hatten Angst, dass Mama auf dem Weg des Erleidens eines Schlaganfalls o.ä. war und führten die typischen Tests nach dem F-A-S-T Prinzip durch. Mama konnte die Anweisungen von uns allerdings alle durchführen. Wir fragten Mama immer wieder aus, was genau mit ihr nicht stimmt oder ob etwas vorgefallen ist. Unsere Mutter war nämlich nie ein Mensch, welcher sich viel beschwerte. Sie machte alles mit sich selbst aus. Auch wenn etwas vorgefallen ist, über was sie sich ärgerte, so erzählte sie nur sehr wenig bis nichts. Sie hätte eine Person, egal was sie ihr auch angetan hat, niemals ins schlechte Licht gerückt. Nachdem ich zu meiner Mama sagte, dass wir lieber einen RTW rufen, verneinte sie dies und lehnte es strikt ab. Sie ließ sich wenigstens auf den "Deal" ein, dass ich sie am nächsten Tag direkt zum Hausarzt fahre. Wir beobachteten sie weiterhin streng. Am Abend als wir gemeinsam aufräumten fragte ich sie nochmal, ob nicht irgendetwas vorgefallen war. Sie verneinte und sagte sie lege sich bald hin und morgen wäre es bestimmt besser. Wir fuhren mit einem sehr komischen Gefühl nach Hause. Kurz vor dem Schlafengehen schrieben wir nochmal und sie schrieb, ich solle mir keine Sorgen machen.
Am nächsten Morgen meldetet ich mich direkt nachdem ich aufwachte wieder bei ihr. Ich fragte sie sofort, wie es ihr geht. Wie sonst auch schrieb sie "Alles gut mein Schatz". Bei unserer Mama war immer alles gut. Probleme gab es für sie nie. Ich schrieb ihr, dass wir uns fertig machen und dann kommen würden. Wie gesagt - so getan. Ich packte meinen Sohn und wir fuhren zu ihr. Sie lebte bei ihrem Partner - ca. 30 min von uns entfernt. Als wir ankamen machte sie sich fertig und wir fuhren uns gemeinsam los zu ihrem Hausarzt. Der Hausarzt befragte sie, machte zudem neurologische Tests, welche in der Hinsicht unauffällig waren. Er merkte jedoch schnell, dass Mama wesensverändert war. "Das ist nicht ihre Mutter, so wie ich sie kenne" so der Arzt. Er schrieb eine Einweisung ins Krankenhaus. Wir sollten direkt in die Notaufnahme und nachschauen lassen. Ich las den Einweisungsschein: "V.a. Meningitis".
Wir gingen also weiter. Um ca. 9:15 Uhr kamen wir in der ZNA an. Vorerst der übliche Ablauf: Annahme, Triage etc. Mama und ich hielten die Hand. Mein Sohn spielte an einem Tisch mit Bauklötzen. Es war circa 11 Uhr als Mama dann reingebeten wurde. Mir wurde gesagt, dass ich draußen warten muss, da ein Kleinkind nicht mit in der Notaufnahme sein dürfte. Ich erklärte Mama, dass ich raus gehe, um meinen Mann anzurufen, sodass er unseren Sohn abholt und ich dann bei ihr sein kann. Mama kam gegen 11:30 Uhr ins CT. Wir sahen durch eine Glastüre, wie sie fortgeschoben wurde. Mein Mann machte sich auf den Weg. In der Zeit war ich etwas im Info- Austausch mit einem Teil der Familie. Gegen 13 Uhr war mein Mann da. Wir sprachen uns kurz, ich wollte aber schnell wieder rein. Ich verabschiedete mich und sprintete zurück, um zu Mama zu gelangen. Ich konnte auch tatsächlich dann direkt zu ihr. Wir warteten gemeinsam auf ein Arztgespräch, um zu erfahren, was bei dem CT herauskam. Mein Herz pochte unfassbar schnell und stark - die ganze Zeit. Gegen 13:45 Uhr kam folglich ein Arzt. Er setzte sich nieder und sagte "Nun ja. Im CT ist eine deutliche Raumforderung zu sehen. Das Gewebe, was dort zu sehen ist, sieht nicht gut aus. Jedoch ist auch ein großes Ödem zu sehen. Es soll noch ein MRT stattfinden, damit man genaueres sehen kann. Sie werden gleich Kortison zur Eindämmung des Ödems erhalten. Dann sehen wir weiter".
Ich schaute meine Mama an, setzte mich zu ihr ans Bett und meine Tränen flossen herunter. Mama zuckte mit den Schultern und schaute mich an. "Es ist wie es ist", sagte sie. Ich weinte, versuchte mich dann aber selbst herunterzufahren indem ich mir sagte, dass ich mich jetzt nicht auf diese Info versteifen darf. In mir herrschte Chaos. Jegliches Vorwissen und Gelerntes (dadurch dass ich Pflegefachkraft bin) ging mir durch den Kopf. Dies wühlte mich noch mehr auf. Wir mussten weiter warten. Meine Emotionen ließen sich aber leider nicht zurückhalten. Raumforderung.....Gewebe, welches nicht gut aussieht ....TUMOR ?!?! Ich versuchte nicht vor Mama weiterhin so arg in Tränen auszubrechen. Ich fragte sie, ob sie etwas trinken wolle, denn ich würde Trinken holen gehen. Dies war jedoch mehr eine Ausrede, damit ich raus konnte. Ich verlies den Raum und alles kam hoch. Ich konnte nicht mehr. Ich stand total außer mir. Ich sagte direkt meinem Bruder bescheid und schrieb meiner Tante. Wir waren bereits die ganze Zeit im Kontakt. Auch weiteren Personen, wie dem Partner von Mama, übermittelte ich die schlechte Nachricht. Nachdem ich mich so sehr verloren fühlte wie noch nie, fragte ich dann folglich noch meine Tante, ob sie nicht vielleicht kommen könnte. Ich konnte das nicht alleine. Sie machte sich direkt auf den Weg. Ich ging Getränke holen und folglich in den Raum zu Mama zurück, nachdem ich mich etwas fasste. Ich setzte mich wieder zu ihr. Sie hatte die Infusion dran und die Augen etwas zu. Nachdem ich sah, dass meine Tante mir schrieb, dass sie da sind, so lief ich vor an die Türe der ZNA. Es war nun 14:30 Uhr. Meine Cousine und Tante kamen mir entgegen. Ich umarmte meine Tante und fragte sie weinend, wie das nur sein kann und wie ich das alles nur überleben soll. Sie blieb ruhig. Sie war stark- für uns alle. Meine Cousine und ich drückten uns im Anschluss. Anhand des Druckes spürte ich, wie sehr auch sie unter Spannung war. Wir gingen gemeinsam zu Mama. Es fühlte sich nun etwas "leichter" an. Wir warteten dann gemeinsam. In den nächsten Stunden bekamen wir jedoch niemanden zu Gesicht. Gegen 18:45 Uhr gingen meine Tante und Cousine los. Wir verblieben so, dass ich wieder bescheid gebe sofern wir weiteres wissen.
Mein Bruder fuhr nach der Arbeit schon Mal zum Partner von Mama, um dort eine Tasche zu packen, denn wir vermuteten bereits, dass sie bleiben wird. Ich ging gegen 19:30 Uhr vor zum Personal und fragte nach, wie es weiter gehen würde. Ich bekam eine doofe Antwort, dass man das ja nie genau sagen könne. "Es kommt dann schon jemand". Danke dafür. Ich blieb bei Mama und wir warteten weiter. Mein Bruder kam gegen 20 Uhr vorbei. Ich holte ihn ebenfalls vorne an der Türe ab. Er war blass. Ich konnte genau spüren, dass auch er voller Angst und Sorge war. Aber er wollte stark sein. Nun saßen wir beide gemeinsam bei Mama. Gegen 21 Uhr kam letztendlich jemand vom Personal. Uns wurde gesagt Mama würde stationär aufgenommen werden. Montag würde dann das MRT stattfinden können. Nun ja. Es war leider Freitag - aber wir wussten nun den weiteren Ablauf. Mein Bruder ging dann los nach Hause. Mama wurde auf das Zimmer gefahren. Ich wollte mich ungerne von ihr trennen und durfte noch folgen. Es war zu diesem Zeitpunkt 21:20 Uhr. Die Pflegekräfte der Station waren sehr nett und ließen mich noch etwas bei Mama am Bett sitzen. Gegen 22:15 Uhr bin ich dann auch los.
Die Achterbahnfahrt nahm ihren Lauf. Ich konnte diese Nacht nicht schlafen. Keine einzige Minute. Ich habe nur noch geweint.
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Kommentare
deine Zeilen lösen bei mir ein starkes Gefühl aus, als wäre es erst gestern gewesen. 🥺😔
Ich weiß , wie herausfordernd diese Zeit war und nach wie vor ist. Dennoch bin ich sehr stolz auf Dich/ Euch , dass Du diesen Weg hier gehst. Ich habe dich unendlich doll lieb !!!
❤️
Auch wenn wir uns nicht kennen möchte ich dir meine Bewunderung ausdrücken. Ich arbeite mit deinem Bruder zusammen und habe auch viel Privat mit ihm zu tun. Wir haben in dieser Zeit jeden Tag telefoniert oder geschrieben. Ihr habt euch so viel Mühe gegeben, was ich wirklich sehr bewundere. Doch das so im Detail zu lesen macht selbst mich traurig. Ich freue mich aber deinen Blog weiter zu lesen um es noch besser zu verstehen
Danke für diese ersten ungefilterten Einblicke. Ich wünsche Euch weiterhin viel Kraft, Stärke und Mut.
Sie ist stolz auf Euch zwei!!!
Mama stirbt nie, es hört nur auf, in der Nähe zu sein🙏Ich kann mir vorstellen, wie schwierig es war, das zu schreiben.
Liebe Lara
Ich finde es bemerkenswert, wie authentisch Du die Worte findest
Ich erlebe diese schlimme Zeit gerade noch einmal
Ein Stück Trauerbewältigung
Mama wäre sehr stolz auf Dich ❤️
Deine Zeilen zu lesen fällt mir sehr schwer und ging nur nit Unterbrechungen. Diese Zeit ist so präsent und gleichzeitig gefühlt, ist es schon so lange her sie zu sehen. Sie fehlt mir jeden Tag. Ich bewundere deinen Mut, das zu teilen und denke, es gibt auch anderen Kraft in dem Wissen, nicht alleine zu sein.
Mir fällt es schwer, irgendwas zu schreiben oder die passende Wörter zu zu finden weil wenn ich denke was für Mama Kind ich bin und das was du durchgemacht hast, tut es mir im Herzen sehr leid. Du bist wirklich eine sehr sehr starke Frau. Sehr bewundernswert, dass du diese Kraft gefunden hast, deine Gedanken und deine Gefühle und das, was passiert ist, aufzuschreiben. Ich folge dir jetzt schon echt lang und du hast immer einen sehr sympathischen Eindruck hinterlassen aber jetzt kann ich dir sagen hast du mir gezeigt, wie viel stärke in dir steck, fühl dich ganz fest von mir gedrückt.
Liebe Lara,
Deine Mama wäre sehr stolz auf Dich. Ich kann Dich nur bewundern, wie Du das alles geschafft hast. Du warst immer für sie da und das jetzt nochmal in Deinn Schilderungen mitzuerleben, ist sehr ergreifend für mich. Ich sehe Euch Alle vor mir, da ich Euch ja auch schon sehr lange kenne. Denke an unseren letzten Musicalbesuch, da habe ich Deine Mama das letzte Mal gesehen. Ich wünsche Dir weiterhin viel Kraft, dass zu verarbeiten.
Drück Dich ganz lieb ❤️
Danke für deine Offenheit. Ich konnte die Tränen beim Lesen nicht zurückhalten. Mehr Worte finde ich gerade nicht.