
Ich habe lange überlegt, ob und wie ich diesen Beitrag schreiben kann.
Vielleicht ist dir aufgefallen, dass es hier eine Weile still war. Es war keine bewusste Entscheidung, den Blog zu pausieren – vielmehr eine Folge der inneren Leere, der Angst und der Überforderung, die sich in den letzten Wochen wie eine zweite Haut um mich gelegt haben. Ich wollte schreiben. Ich wollte teilen. Ich wollte stark sein - aber ich konnte einfach nicht.
Es ist eine seltsame Art von Ohnmacht, wenn das eigene Leben aus den Fugen gerät. Wenn du das Gefühl hast, funktionieren zu müssen, während innerlich alles brennt. Heute schreibe ich wieder. Nicht, weil es leichter geworden ist, sondern weil ich spüre, dass ich weiter erzählen muss. Für mich. Für sie. Für alle, die Ähnliches erleben.
Dieser Bericht baut auf den letzten Bericht vom 27.04.2025 auf.
Nun also. Es stand das Datum des Starts der Radiochemotherapie fest: der 07.12.2023.
Die letzten Wochen davor wurden dafür genutzt, das Kortison bei meiner Mutter langsam auszuschleichen. Es musste langsam, Schritt für Schritt geschehen, da es sonst zu Beschwerden kommen könnte, wie z.B. einem "Entzug". Durch das Ausschleichen nehmen die Nebennieren langsam die eigene Kortisol- Produktion wieder auf. Durch die Einnahme vom Kortison wird nämlich die körpereigene Erzeugung von Kortison unterdrückt. Zudem nahm ich Kontakt zu einigen anderen Kliniken und Ärzt*innen auf bezüglich einer Zweitmeinung und/ oder die Eintrittsmöglichkeiten in Studien. Außerdem warteten wir weiterhin auf den Pathologiebericht aus Heidelberg. Dieser erreichte uns am 01.12.23. Beinhaltet waren zwei Nachberichte unter anderem folgender:

Mama las den Bericht durch. Ich beobachtete sie wieder - wie beim letzten Mal. Sie zeigte keinerlei Traurigkeit nach außen hin. Ich versuchte ihr wieder Mut zuzusprechen. Ich schickte den Befund auch direkt an meine Tante. Sie fragte nach, wie Mama reagierte. Aber ich konnte ihr allerdings nur das wiedergeben was Mama zu mir sagte "Ja doof, dass es halt ein Grad 4 Tumor ist". Das war ihre Aussage.
Ich nahm den Bericht in meine Hände und begann mich wieder vertiefter in diese Erkrankung bzw. über mögliche weitere Therapien zu erkundigen - ich habe es regelrecht "studiert".
Ich las in einer Studie folgendes:

Ich nahm wieder Mamas Bericht zur Hand. EIN POSITIVER ASPEKT aus Mamas molekulargenetischen Befund!!!!! Ich berichtete sofort Mama darüber. Auch wenn es noch so ein kleiner Faktor war in der ganzen zerschmetternden Situation - solche Dinge entfachten das Feuer der Hoffnung!
Diese Reise mit der Erkrankung ist wirkliche eine totale Achterbahnfahrt. Mama berichtete die folgenden Tage immer mal wieder von Kopfschmerzen. Dies löste unfassbar große Angst in uns aus. Ich hielt Rücksprache mit meiner Tante - sie hielt wiederum immer wieder Rücksprache mit dem Hausarzt, welcher sich wirklich stets die Zeit nahm und uns Mut entgegen sprach. Er vermutete in der Situation, dass die Kopfschmerzen auch vom Ausschleichen des Kortisons kommen könnten.
Je nach Tagesform, wenn Mama sich gut genug fühlte, so unternahmen wir gemeinsam Dinge wie z.B. auf den Friedhof fahren, in die Stadt gehen, Frühstücken mit meiner Tante usw. Das tat Mama auch gut. Sie selbst ging auch mit den Hunden spazieren, besuchte Freunde und erhielt Besuch. So vergingen zwischenzeitlich die Tage.
Nun da war er nun, der 07.12.2023 - der ursprüngliche Start für die Radiochemotherapie.
Am Morgen kam ich recht früh zu Mama, nachdem ich meinen größeren Sohn zur Tagesmutter brachte. Mama nahm wie vorab gemeinsam schon besprochen ihren Magenschutz ein – und eine halbe Stunde später die erste Tablette der Chemo (Temozolomid). Mama erlitt leider bereits nach kurzer Zeit der Einnahme Übelkeit. Sie musste sich einmalig übergeben und fühlte sich schlapp. Ich begleitete sie zur Couch und bat sie darum, sich noch bis zum Termin in der Strahlenambulanz auszuruhen. Ich machte uns einen Tee und setzte mich zu ihr. Unser kleiner Sohn randalierte an diesem Tag besonders in meinem Bauch. Ich hatte teilweise starke Lendenschmerzen - davon berichtete ich Mama aber nichts. Generell thematisierte ich die Schwangerschaft nicht von mir aus in ihrer Gegenwart. So schlimm sich das anhört - ich konnte keine Freude diesbezüglich verspüren - eher plagten mich dunkle Gedanken. Ich konnte nicht begreifen wie unfair dieses Leben doch ist. Einerseits wuchs in mir ein Leben heran, anderseits hatte ich so große Angst davor, schon ganz bald ein Leben zu verlieren - das Leben eines der wichtigsten Menschen in meinem Leben.
Mama wurde am Vormittag über einen Transport (glücklicherweise durch Freunde/Bekannte, welche ein Taxinternehmen führen) ins Krankenhaus gefahren. Dies wünschte sie sich so. Ich holte in dieser Zeit bereits meinen Sohn bei der Tagesmutter ab. Wir waren in dem festen Glauben, dass heute alles starten würde: die Maske würde angepasst werden, die erste Bestrahlung direkt im Anschluss. Aber es kam anders.
Ich blieb mit Mama im Austausch über das Handy. Mamas Termin wurde für 12.00 Uhr datiert. Um 12:25 Uhr erhielt ich die Nachricht, dass sie bereits auf's Taxi warte. Ich rief sie an, sie war aber nicht erreichbar. Ich war verwundert über die Zeit.
Was folgte waren: Verwirrung, Enttäuschung, Fassungslosigkeit
Als ich bei Mama wieder ankam, so war sie kurz darauf auch wieder zu Hause abgesetzt worden. Sie berichtete, dass innerhalb dieses Termins lediglich die Maske angefertigt wurde. Keine Bestrahlung. Kein offizieller Beginn an sich. Wir waren enttäuscht. Auch Mama. Ich rief in der Strahlenambulanz an. Ich hinterfragte die Situation. Ich erklärte der Helferin am Telefon der Anmeldung, dass heute doch eigentlich der Start geplant war. Ihre Antwort war nüchtern: Die Bestrahlung beginne erst beim nächsten Termin - dieser wurde nun für den 13.12.23 gesetzt.
Ich fragte, was jetzt mit der Chemotablette sei, die Mama bereits genommen hatte. Ich wurde gebeten dies mit dem zugeordneten Arzt zu besprechen. Ich fragte, ob sie jemanden bescheid geben könnte und dass wir direkt gerne das Gespräch hierzu möchten. Sie bat mich kurz am Hörer zu bleiben. Kurze Zeit später war die Helferin wieder am Telefon und informierte uns darüber, dass ich im Sekretariat um ein Telefongespräch bitten solle beim behandelnden Arzt bezüglich der Chemo - es stehe aktuell niemand zur Verfügung.
Ich wollte weinen – aus Überforderung, aus Enttäuschung, aus Hilflosigkeit. Aber ich wusste: vor Mama durfte ich das nicht. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Stark zu wirken. Denn ich wollte, dass sie glaubt, ich habe alles im Griff. Ich sprach zu Mama, dass ich alles regeln würde. Mama schien mich ebenfalls herunterbringen zu wollen. Sie sagte "Das wird schon." Sie muss gewusst haben, wie es in mir aussah. Natürlich - keiner kannte mich besser als sie.
Ich rief folglich im Sekretariat des behandelnden Arztes an. Dieser würde mich morgen zurückrufen so hieß es. Ich sagte, dass dies nicht gehe, ich bräuchte heute die Info darüber, wie wir das mit der Chemo nun handhaben sollten. Die Dame aus dem Sekretariat gab mir die Info, dass sie eine Dringlichkeit eines Anrufes auf die Liste des Arztes setze. Ich bedankte mich, jedoch war mir dies nicht genug. Ich rief dann nochmals in der Neurochirurgie an, genauer beim Klinikdirektor, welcher ja auch Mamas OP führte. Ich wurde dort ernst genommen und mir wurde ein telefonisches Gespräch am Nachmittag zugesagt. "Sie werden angerufen", so hieß es. Ich informierte im Anschluss die Familie in der Whatsapp Gruppe über den Tag und dass nun der neue Termin für den Start der Bestrahlung am 13.12.23 stattfinden würde. Alle waren mit uns enttäuscht. Auch mit meinem Bruder hielt ich einen intensiven Austausch. In mir plagte die Sorge "Wie kann ein Start einer Behandlung so lange dauern!? Mit solch einem schnellwachsendem Tumor!? Wieso wird nicht direkt gehandelt". Horrorvorstellungen plagten mich. Ich dachte darüber nach, dass Mama ja die Tage über Kopfschmerzen klagte. Was ist, wenn die Übelkeit gar nicht von der Chemo kam, sondern von dem Tumor? Alles ging mir durch den Kopf. Ich wandte mich ans Forum der deutschen Hirntumorhilfe. Dort erhielt ich relativ schnell Rückmeldung, dass auch ein Abstand von OP zu Behandlungsbeginn der Radiochemotherapie wichtig sei, bezüglich der Heilung. Ich erkundigte mich bei anderen über die Dauer von OP zu Beginn von weiteren Therapien. Wir durften feststellen, dass Mama noch recht zügig war diesbezüglich. Doch ich nahm jeden weiteren Tag, an dem "nichts" an Therapien passierte, als eine Ewigkeit und Verlust wahr.
Mama ruhte sich den restlichen Tag überwiegend aus. Sie war, wie bereits erwähnt, nicht so fit.
Ich erhielt am Nachmittag tatsächlich den Anruf vom Klinikdirektor der Neuro. Er war unfassbar nett und ich fühlte mich etwas aufgefangen. Er sagte, dass wir dann die Chemo am 13.12. starten sollten, mit dem tatsächlichen Beginn der Radiotherapie. Wir sollten uns um ein neues Rezept und Päckchen der Chemo kümmern, dass Mama dann ein "runder Ablauf" garantiert sei. Dem gingen wir nach. Der Fokus stand nun auf dem 13.12.23. Ich fragte mich immer wieder, wie Mama sich wohl fühlen müsse. Sie teilte weiterhin ihre Gefühle nicht. Sie wirkte wie immer so stark und gefasst.
Mama war die Tage nach dem 07.12. etwas auffällig. Sie tippte teils wahllos in ihr Handy, scrollte hin und her. Ich fragte Mama, ob sie weiterhin Kopfschmerzen habe, wie die vergangenen Tage. Sie sagte es sei phasenweise. Am 10.12.23 stand auch ein Termin für ein Besuch im Theater an. Mama bekam die Tickets zum Geburtstag geschenkt. Ich fragte sie die Tage, vor allem an diesem Tag selbst, einige Male, ob sie sich gut genug fühle um dort hinzugehen. Mama äußerte immer wieder, dass sie dort hin möchte. Wir gingen also gemeinsam mit einem Teil Familie & einer Freundin dort hin. Auch dort tippte Mama im Handy. Meiner Tante fiel das Verhalten von Mama nun auch auf. Nach dem Theater brachte ich Mama nach Hause. Wir gingen hoch. Anstatt ihren Partner zu begrüßen, verabschiedete sie sich von ihm - sie wolle noch weiter, sagte sie. Ich fragte sie, wo sie noch hin wolle. "Du wohnst doch hier, Mama, richtig?", fragte ich. Sie schaute kurz auf und lachte. "Ach ja stimmt." Sie müsse aber noch Geld holen. Ich bat Mama sich auszuziehen und dass sie sich ausruhen solle. Ich würde dann morgen kommen und wir könnten dann Geld holen gehen, wenn sie unbedingt welches bräuchte. Mama wirkte dann tatsächlich wieder nach kurzer Zeit orientierter. Ich blieb noch einige Zeit, um die Lage zu beobachten. Als ich gegen 0 Uhr heimfuhr, so informierte ich meine Tante noch auf dem Weg per Whatsapp darüber, welche Auffälligkeiten Mama weiterhin aufwies.
Ich rief auch nochmals am 11.12. bei dem Klinikdirektor an und bat nochmals um einen Rückruf. Ich wollte ihm von den Auffälligkeiten berichten. Er rief zurück und äußerte, dass er am Telefon leider nicht so viel sagen könne. Wenn die Lage sich weiterhin zuspitzen sollte, so müssten wir dann in die ZNA. Ich blieb über Nacht bei Mama. Da die Situation sich wirklich verschlechterte, so fuhr ich am 12.12. (ein Tag vor Bestrahlungsbeginn) mit Mama in die Klinik. Mama wurde schnell aufgenommen. Ich hatte in der Klinik meinen Sohn dabei, somit konnte ich nicht die ganze Zeit bei Mama sein. Ich bat meinen Mann unseren Sohn abzuholen. In der Zeit, als ich draußen warten musste bis mein Mann kam, wurde ein CT bei Mama gemacht. Mama und ich warteten dann gemeinsam auf einen Arzt. Mich plagte die Angst, dass der Beginn der Therapie am nächsten Tag wieder nicht starten könnte. Es stellte sich heraus, dass wieder ein Ödem die Ursache sei für die Auffälligkeiten. Mama wurde also dann Kortison verabreicht und dieses auch wieder fest angesetzt. Eine Erleichterung allerdings war die Nachricht, dass die Radiochemotherapie am Folgetag wie festgesetzt starten könnte. Ich informierte direkt meinen Bruder. Ich musste wieder mit den Tränen kämpfen, als ich tippte. Mein Bruder gab Zuspruch und beruhigte mich, obwohl er mit Sicherheit selbst am verzweifeln war.
Wir durften an diesem Abend noch die Klinik verlassen. Ich brachte Mama nach Hause. Schon wenig später ging es Mama ersichtlich besser und sie wirkte orientierter und klarer. Ich war etwas beruhigt. Ich blieb auch an diesem Abend noch eine Weile dort. Sie schickte mich aber von sich aus dann nach Hause und sagte ich solle mal nach meinem Sohn schauen gehen. Dies zeigte mir ebenfalls, dass sie wieder "weiter denken" kann. Die Panik in mir legte sich wieder etwas, auch wenn ich wusste, dass auch eine weitere Ödembildung nicht gut war. Ich besprach mit Mama noch den Verlauf des nächsten Tages, zudem auch die Medikation. Meine Tante wollte am nächsten Tag meine Mama mit in die Ambulanz begleiten. Mit ihr hielt ich auch Rücksprache. Zudem hielt ich die Familie auf dem Laufenden. Wir schauten nun mit neuer Zuversicht auf den Beginn der Radiochemotherapie.
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